Lehr- und Kommunikationsstil, Benotung

Mir ist die Vermittlung eines professionellen Habitus angehender Theologinnen und Theologen wichtig – egal, in welchem Berufsfeld sie später einmal arbeiten werden. Die Studierenden im Fach Fundamentaltheologie sollen sich nicht nur spezielle Fachkenntnisse aneignen; sie sollen ein Verständnis dafür entwickeln, wie man einem theologischen Blick auf sich selbst und die Welt Gestalt verleiht – nicht zuletzt in dieser Fähigkeit liegen ja Reife und Professionalität eines Pfarrers bzw. einer Pfarrerin, einer Pastoralassistentin oder eines Religionslehrers begründet. Dazu gehört die Ausbalancierung von Nähe und Distanz. Man muß zu Sachlichkeit wie zu Anteilnahme, zu Selbstreflexivität wie zu Kirchlichkeit in der Lage sein. Sachlichkeit sichert Einsicht, Anteilnahme Engagement; Kirchlichkeit ist die Grundlage christlicher Glaubensexistenz (vgl. Röm 10,14); und schließlich Selbstreflexivität ist die Bedingung der Möglichkeit, von einer solchen Existenz glaubwürdig Zeugnis ablegen zu können (vgl. 1Petr 3,15).

Diesem allgemeinen Ziel dient der von mir bevorzugte Arbeits- und Umgangsstil. Die Studierenden sollen befähigt werden, einerseits sich selbst und die eigenen Glaubensvorstellungen in Klammern setzen zu können, andererseits aber die eigene Subjektivität samt der ihr zugehörigen religiösen Betroffenheit als Instrument der Erkenntnis nutzen zu können. Das verlangt, daß man die Einsamkeit der Selbstreflexion wie die Freiheit der Selbstorganisation schätzen lernt. Genau hierin liegt meiner Meinung nach das Proprium eines qualifizierten Theologie- und Philosophiestudiums. (Für viele andere Studiengänge wie Germanistik und Geschichtswissenschaft, Latinistik und Gräzistik, Romanistik und Anglistik, die – im ernsthaften Sinn betrieben – vergleichbaren Zielen dienen, dürfte im übrigen ähnliches gelten.)

Ich halte daher im Umgang zwischen Lehrenden und Lernenden weder etwas von anbiedernder Distanzlosigkeit noch von ängstlicher Selbstverleugnung. Wir sind im wörtlichen Sinne Kommilitonen, das heißt Mitstreiter im Dienst einer Wahrheit, die nicht unsere eigene ist, sondern größer ist als wir selbst (vgl. 1Joh 3,20b; Eph 3,17-20). Ich erwarte die Bereitschaft zu eigenständig konstruktivem Lernen, bin aber nicht der Auffassung, daß man sich nicht auch von einem Kenner der Sache sagen läßt, was wichtig und was nicht so wichtig ist. Es gibt für mich drei Kriterien der Beurteilung von Leistungen:

  1. Man muß Sachverhalte korrekt wiedergeben können.
  2. Man muß sie auf neue Sachverhalte anwenden können.
  3. Man muß eingeführte philosophische und theologische Argumente in Bezug auf andere Argumente gewichten und reflektieren können.

Es versteht sich von selbst, daß man auf der ersten Stufe ausreichende, auf der zweiten befriedigende und auf der dritten gute und sehr gute Leistungen erreicht.

Joachim Negel