Adieu Susanne Bollinger
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Adieu Susanne Bollinger

Am Dienstag, 16. Februar 2016, hat Susanne Bollinger ihre Augen für immer geschlossen. Die Leiterin des Botanischen Gartens der Universität Freiburg ist einer langjährigen Krankheit erlegen. Im Sinne einer Hommage an diese ebenso engagierte wie fröhliche Mitarbeiterin der Universität veröffentlichen wir auf «Alma&Georges» ein Porträt von Susanne Bollinger, das im Juni 2013 in der internen Zeitschrift «unireflets» publiziert worden war.

Als sie das Stelleninserat sah, habe sie Hühnerhaut bekommen. Ihre Freude darüber, dass es klappte und sie den «Job» erhielt, spürt man, als sei es gestern gewesen. Dabei war es vor bald zwanzig Jahren. Susanne Bollinger, 52 Jahre alt, seit 1994 Leiterin des Botanischen Gartens der Universität Freiburg, wollte nach der Matura etwas Praktisches machen, gestalten, an wenden. Und so entschied sie sich für die Landschaftsarchitektur an der Hochschule Rapperswil, einem damals noch wenig bekannten Studiengang und Beruf. «Auch weil ein mindestens einjähriges Praktikum eine Voraussetzung für das Studium war», sagt sie rückblickend und machte aus dem Praktikum eine verkürzte Lehre von zwei Jahren als Staudengärtnerin. Gestalten, das lernte sie im anschliessenden Studium. Landschaften und Gärten hätten sie stets fasziniert. Sie lernte Pflanzen und ihre Lebensräume kennen, lernte Landschaften beurteilen und erlangte ein Gespür dafür, was uns eine Landschaft als angenehm erleben lässt. «Die Pflanzen sind bei jeder Gestaltung im Aussenraum das Tüpfchen auf dem I», betont Susanne Bollinger. «Selbst ein Parkplatz ohne Bäume ist kein guter Parkplatz.»

Pflanzen bereichern

Es folgten sechs Jahre, in denen sie beruflich auf Wanderschaft war: erst drei Jahre in der Stadtgärtnerei Bern – «die Abläufe in der Verwaltung waren eher schwerfällig» – dann drei Jahre im Landschaftsarchitektur büro von Dieter Kienast, ihrem ehemaligen Dozenten in Rapperswil – «er hat meine Arbeit stark beeinflusst». Mit Pflanzen kann und darf man gestalten, hat sie bei Kienast gelernt. «Pflanzen bringen Leben in eine Gestaltung – durch ihr Blätterkleid, den Blütenduft, den Laubfall oder indem wir Menschen sie zu nutzen wissen.» In dieser Zeit hatte sie auch einen kleinen Lehrauftrag an der Hochschule Rapperswil in Pflanzen- und Gehölzkunde und entdeckte dabei  ihre Freude daran, Inhalte zu vermitteln. Und dann sah sie das Stelleninserat. «Ich wusste bis dahin nicht, dass es diesen Botanischen Garten gibt», erinnert sich Susanne Bollinger. Als sie ihn aber besuchte, war ihr sofort klar, dass dies ihre Traumstelle war. Prof. Jean-Pierre Métraux, der das Berufungsverfahren leitete, gewichtete die fachliche Voraussetzung einer Leiterin ebenso stark wie praktische Erfahrung und die persönliche Chemie: Er liess die Mitarbeitenden des Botanischen Gartens mitentscheiden, wen sie sich als Chefin wünschten. Und so arbeitet Susanne Bollinger seit 1994 in diesem Büro, mitten im Botanischen Garten, ist Chefin von bis zu 13 Personen und wacht über 5000 Pflanzenarten. An diesem Tag Mitte Mai blüht der Goldlack vor dem Fenster, die Linden auf dem kleinen Platz vor dem Haus leuchten hellgrün. Ab und zu streckt jemand den Kopf durch die Tür und stellt eine Frage. Wir befinden uns im Büro der Chefin, doch hier spricht man in erster Linie von Gärtner zu Gärtnerin. Nur: Hat sie denn als Leiterin nebst all der administrativen Arbeit die Zeit, selber im Botanischen Garten Hand anzulegen, etwas Praktisches zu machen, umzusetzen und zu gestalten?

Fasziniert von der Vielfalt

«Kaum», meint Susanne Bollinger. Hingegen lässt sie es sich nicht nehmen, immer wieder Erneuerungen von Gartenteilen zu planen. Zur Zeit ist sie daran, die systematische Abteilung, das Herz des Botanischen Gartens der Universität Freiburg, zu erneuern und weiterzuentwickeln. Es ist ihr Steckenpferd, denn hier kann man die Vielfalt in der Pflanzenwelt und die einzelnen Arten in ihrem geschichtlichen, familiären Kontext kennenlernen. Doch inzwischen herrsche da ein Durcheinander unter den 100 Familien, die durch insgesamt etwa 1500 Arten repräsentiert werden. Es habe Verpflanzungen und genetische Mutationen gegeben. «Vor allem aber entspricht, was die Verwandtschaftsbeziehungen der Pflanzen betrifft, die Anordnung und Beschriftung nicht mehr den neusten botanischen Kenntnissen.» Die Gärtnerin und Landschaftsarchitektin versucht nun, im Zuge dieser Erneuerung auch die Pflege des Systemgartens zu vereinfachen: Breitere Rasenbordüren und
Metalleinfassungen zwischen Rasen und Pflanzflächen sollen helfen, die aufwändigen Unterhaltsarbeiten in Schranken zu halten. Ihren Gestaltungswillen und das Interesse an der Pflanzenkunde pflegt sie auch im 200 Quadratmeter grossen Garten zu Hause. Susanne Bollinger experimentiert hier mit Pflanzen, kombiniert weisse und blaue Stauden oder pflegt verschiedene Arten von Pfingstrosen und Doldenblütlern. Klar gäbe es in ihrem Garten auch Gemüse und Kräuter, nur keinen Rasen, der sei zwar praktisch und funktional, wenn da Kinder wären, aber ansonsten nur arbeitsintensiv.

Ihren Gestaltungswillen und das Interesse an der Pflanzenkunde pflegt sie auch im 200 Quadratmeter grossen Garten zu Hause. Susanne Bollinger experimentiert hier mit Pflanzen, kombiniert weisse und blaue Stauden oder pflegt verschiedene Arten von Pfingstrosen und Doldenblütlern. Klar gäbe es in ihrem Garten auch Gemüse und Kräuter, nur keinen Rasen, der sei zwar praktisch und funktional, wenn da Kinder wären, aber ansonsten nur arbeitsintensiv.

Draussen beginnt es wieder zu regen. Das sei gut für den Garten, sagt Susanne Bollinger. In ihrem Rücken, an der Wand, hängt ein Bild. Die Materialien dafür stammen aus dem Botanischen Garten. Es heisst Renaissance.


Erfreute sich auch nach zwanzig Jahren noch an «ihrem» Garten: Susanne Bollinger, Leiterin des Botanischen Gartens. © Jean-Daniel Sauterel

Kreuz und Quer

An einem sonnigen Tag findet man mich
In meinem Garten oder am Spazieren
Das grösste Glück auf Erden
Pflanzen und Tiere
Auf meinem Nachttisch stehen
Zeitschriften und Bücher, die sich stapeln, weil ich zu schnell einschlafe
Traurig machen mich
Das Abholzen der Tropenwälder und das Abschmelzen der Eiskappen
Freuen tut mich
Der Gesang der Amseln am Morgen
Eine Persönlichkeit
David Bittner, Biologe und Bärenforscher
Meine Lieblingspflanze
Immer gerade was blüht
Eine Gabe, über die ich verfügen möchte
Mehr Geduld
Mein Motto
«Es kommt schon gut»
Nerven tut mich
Mein schlechtes Gedächtnis
Auf diesen Luxus könnte ich verzichten
Auf die vielen Kaffees bei Chocolat Villars

Dieser Artikel wurde zuerst im Juni 2013 in der internen Zeitschrift «unireflets» publiziert.

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Author

Die freischaffende Journalistin und studierte Geographin lebt seit mehr als 30 Jahren in Freiburg, schreibt seit mehr als 20 Jahren zu Umwelt, Natur und Landschaft und führt, neu, auch als Wanderleiterin durch die Berge der Welt.

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