«Theologisch gibt es keine stichhaltigen Einwände gegen Frauen als Priesterinnen» (Teil 2/2)

«Theologisch gibt es keine stichhaltigen Einwände gegen Frauen als Priesterinnen» (Teil 2/2)

Im zweiten Teil des Interviews zu seinem neuen Buch «Ihr macht uns die Kirche kaputt … doch wir lassen das nicht zu!» spricht Theologieprofessor Daniel Bogner unter anderem über ausgewanderte Gläubige, die in dieser Kirche keine Heimat mehr finden und über das delikateste aller Themen: Frauen als Priesterinnen.

Sie schreiben unter anderem «Wir haben uns einlullen lassen, wenn die herrschenden Verhältnisse für richtig erklärt wurden.» Solche und ähnliche Worte hört man auch an Treffen von Anarchisten, die gegen das herrschende System wettern.
Das mag so klingen. Entscheidend ist die Frage, gegen welche Art von System man sich damit wendet. Solange der Protest gegen herrschende Verhältnisse gut begründet ist und sich auf jene Werte bezieht, für die rechtsstaatliche und auch religiöse Institutionen eigentlich stehen, halte ich ihn grundsätzlich für legitim. In der Kirche gibt es einen bestimmten Mechanismus, der es oft verhindert, dass Menschen wirklich aufstehen und ihre berechtigten Anliegen als Kirchenmitglieder einbringen: Da die kirchliche Institution als göttliche Stiftung gerechtfertigt wird, meint man, auch alles Tun und Reden ihrer Amtsträger sei göttlichen Ursprungs, weise und richtig. Man hat der Kirchenleitung deswegen oft einen überzogenen Vertrauensvorschuss eingeräumt und es zugleich versäumt, der Verantwortung zur eigenen Mitgestaltung gerecht zu werden. Wenn man dann sieht, dass nach theologischer Auffassung alle Getauften vollmächtige Glieder des «Leibes Christi» – der Kirche – sind, kann man schon zur Auffassung kommen, etwas mehr Anarchie täte in der hierarchischen Gliederung der Kirche gut.

Das Zweite Vatikanische Konzil von 1962-65 scheint Hoffnung und Enttäuschung zugleich zu sein. Wie ist es einzuordnen mit dem Wissensstand von heute?
Das Konzil war für die Kirche ein riesengrosser Schritt, der sie in vielen Bereichen wieder gesprächsfähig gemacht hat für die moderne Kultur und Gesellschaft. Das gilt etwa für den interreligiösen Dialog, für Fragen von Menschenrechten und Entwicklung, aber auch für die Bedeutung einer an den wirklichen Bedürfnissen des Menschen ausgerichteten Pastoral. Man muss aber auch feststellen, dass das Konzil auf halbem Wege stehen geblieben ist. Wenn es etwa den Freiheitsbegriff, der seiner Erklärung zur Religionsfreiheit zugrunde liegt, auch auf die Rolle der Kirchenmitglieder innerhalb der kirchliche Institution anwenden würde, wäre dies ein konsequenter Schritt, den man aber nicht gegangen ist. Das grösste Problem heute scheint mir die Konkurrenz normativer Ordnungen in der Kirche: Es gibt die theologisch motivierten und oft hilfreichen Aussagen des Konzils, es gibt das Kirchenrecht, es gibt eine Art «pastorales Gewohnheitsrecht», dann die fortlaufende lehramtliche Verkündigung. Was gilt nun – eine durchaus entwicklungsoffene Konzilstheologie, oder die Normen des kanonischen Rechts, das selbst von einer vormodernen, nicht am Wert der Freiheit orientierten Theologie des Mittelalters durchdrungen ist? Das führt mich auf mein Anliegen zurück: Wir brauchen eine Verfassungsdiskussion in der Kirche. Theologische Entwicklung und die Leitphilosophie der Kirchenordnung müssen zusammengeführt werden. Massstab hierfür muss eine am Wert der gleichen geschöpflichen Freiheit des Menschen orientierte Theologie sein.

Noch ein Wort zur Stellung der Frau in der katholischen Kirche. Ist die Zeit schon reif für Priesterinnen?
Ich sehe nicht, weshalb das nicht so sein sollte. Theologisch gibt es keine stichhaltigen Einwände dagegen: Jesus hat wohl deswegen Männer zu Jüngern berufen, weil in der patriarchalen Gesellschaft seiner Zeit Männer die sichtbaren Rollen in religiöser Praxis und Gottesdienst einnahmen und ihm an der Wirksamkeit seiner Botschaft gelegen sein musste. Heute trifft Ersteres nicht mehr zu, weil sich die Überzeugung von der Gleichwertigkeit der Geschlechter durchgesetzt hat. Die Kirche begeht einen Fehler, wenn sie das nur den Männern vorbehaltene Weiheamt zum zentralen Glaubensgut und knapp vor der Dogmatisierung ansiedelt. Es gibt auch den praktischen Einwand, es komme zu einer Kirchenspaltung, wenn die Kirche Frauen weihe. Spaltung hat aber längst stattgefunden, auf dem «kalten Weg». Man denke an die vielen ausgewanderten Gläubigen, die in dieser Kirche keine Heimat mehr finden, an die Frauen, die abgespalten werden von einer gleichberechtigten Teilhabe. Eine Öffnung hin zur Frauenweihe bräuchte freilich eine kluge Implementierung: regionale Lösungen, in Etappen eingeführt, mit begleitender Reflexion darüber, was sich damit verändert und wie es zu gestalten ist. Ein katholisches Weiheamt für Frauen wäre nicht einfach eine Kopie aus der Reformierten Kirche!

Wieso sollen Enttäuschte nicht einfach aus der Kirche austreten?
Ich werfe niemandem vor, dass er oder sie das tut. Meine Erfahrung ist: Viele Menschen gehen diesen Schritt nicht leichtfertig. Man hat sich eingebracht und bemüht, findet aber keine «Resonanz» mit diesem Engagement, wie der Soziologe Hartmut Rosa es ausdrücken würde. Manchmal ist der Austritt aus einer religiösen Organisation dann der richtige Schritt, um dem Glauben überhaupt treu bleiben zu können. Aber umgekehrt ist natürlich gerade für den christlichen Glauben die gemeinschaftliche Dimension wesentlich. Und für viele Menschen ist der ästhetische und kulturelle Ausdruck, den der Glaube in einer konfessionellen Tradition findet, die wesentliche, erlebbare Gestalt dieses Glaubens. Das kann man nicht einfach ablegen oder für irrelevant erklären. In der Kirche zu sein ist etwas Ganzheitlicheres als die Mitgliedschaft in einem Sportverein oder einer Hobbygruppe, in der man bestimmten Interessen oder Neigungen nachgeht. So befindet man sich in einer Art Falle: Man ist existenziell an diese Kirche gebunden, obwohl man zutiefst ablehnt, was man an Lebensfeindlichem erfährt. Folge ist häufig eine tiefe innere Ambivalenz, die nicht jedem gut tut.

Veranstaltungshinweis:
Die Medienkonferenz «Wenn die Kirche eine Zukunft haben will….» findet in Köln, Deutschland am 14. Juni 2019 um 19:00 Uhr statt. Neben Professor Daniel Bogner wird auch Doris Wagner teilnehmen. Die ehemalige Nonne im Vatikan wurde durch den ARTE-Dokumentarfilm Gottes missbrauchte Dienerinnen (französischer Titel: «Religieuses abusées, l’autre scandale de l’Eglise») bekannt. Details und Website der Veranstaltung

 

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Author

Ist im Grüezi-Land einst aufgewachsen, doch das Schicksal zieht ihn jedoch immer wieder nach Freiburg: zuerst für die RS, dann fürs Studium, später fürs Wohnen und seit 2017 auch fürs Arbeiten. Als Leiter des Dienstes Unicom interessiert er sich für alles ein bisschen und ein bisschen für alles.

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