Forschungsprojekte

Prof. Dr. Veronika Hoffmann

- für bereits publizierte (Zwischen-)Ergebnisse vgl. die Publikationsliste -

  • Religiöser Zweifel

    Die Rahmenbedingungen für religiöse Überzeugungen haben sich fundamental verändert. Im Kontext des massiven Erstarkens atheistischer Positionen und der Pluralisierung des religiösen Feldes stehen Glaubensüberzeugungen heute grundsätzlich unter dem Vorzeichen von Optionalität und Kontingenz. Damit rückt der religiöse Zweifel stärker ins Zentrum des Frageinteresses – Zweifel hier verstanden nicht im methodischen oder rein epistemologischen Sinn, sondern als grundlegendes Irrewerden eines Glaubenden an seinem Glauben bis hin zur Möglichkeit, dass dieser Glaube nicht mehr tragfähig zu sein scheint. In der Theologie ist das Thema des Zweifels jedoch bisher eher randständig. Die Bewertung des Zweifels ist zudem höchst umstritten. Traditionell galt er häufig als Bedrohung des Glaubens und, sofern expliziter Glaube als heilsnotwendig angesehen wurde, als Bedrohung des eigenen Heiles. Demgegenüber gerät heute vor allem in der gesellschaftlichen Wahrnehmung von Religion ein allzu gewisser Glaube schnell in den Verdacht intoleranter Engstirnigkeit, während Zweifel von Toleranz und intellektueller Redlichkeit zeuge.

    Das Forschungsprojekt untersucht Konzeptionen des Zweifels und gewinnt von dort aus auch neue Perspektiven auf die gewissermaßen spiegelbildliche Theorie des Glaubens. Dazu werden zum einen wirkmächtige Konzepte des Zweifels untersucht und zum anderen die Veränderungen der Bedingungen des Glaubens mit Hilfe von Ch. Taylors Analysen genauer erfasst. Auf dieser Basis lässt sich die Frage nach Glaube und Zweifel systematisch neu stellen und ihr Verhältnis in einer „narrativen Identität“ (P. Ricœur) der Person verankern.
    Das Thema bietet eine Reihe von Anschlussmöglichkeiten an andere Diskurse, die ich nach und nach ausloten möchte, z.B. zum Verhältnis von Glaubensgewissheit, Zweifel und religiöser Toleranz.

  • Metaphern und Modelle in der Theologie

    Die Frage nach der Bedeutung von Metaphern und Modellen in der Theologie bildet eine Art Querschnittprojekt meiner theologischen Forschung. Im Unterschied zu immer noch gängigen Vorstellungen von der Metapher als einem ersetzbaren und unpräzisen sprachlichen Schmuckstück ist mit P. Ricoeur davon auszugehen, dass grundlegende theologische Leitmetaphern jeweils bestimmte Zusammenhänge überhaupt erst aufdecken – dabei aber zugleich immer andere verdecken. So wenig es also eine vollkommene Ersetzung metaphorischen Sprechens durch begriffliches geben kann (oder umgekehrt metaphorisches prinzipiell dem begrifflichen Sprechen vorzuziehen wäre), so wichtig ist eine Reflexion auf die jeweils verwendeten Metaphern, ihre Funktion und ihre Grenzen. Von hier aus ist in den letzten Jahren zunehmend das Thema der Modellbildung in der Theologie in das Blickfeld meines Interesses gerückt. Modelle sind gegenüber leitenden Metaphern stärker „stabilisiert“ und strukturiert und damit in bestimmten Kontexten theoretisch leistungsfähiger, aber auch hier ist eine Reflexion auf Möglichkeiten und Grenzen unumgänglich. Modelle werden in allen Wissenschaften gebraucht, zugleich scheinen sie in der Theologie von besonderer Bedeutung. Hier können sie, reflektiert eingesetzt, die Kontextualität und Perspektivität der Formulierung von Glaubensüberzeugungen sichtbar machen, ohne religiöse Rede in die Nähe der Beliebigkeit zu rücken.

    In Überlegungen zur Gabe als einem theologischen Denkmodell und zu ekklesiologischen und eschatologischen Metaphern hat sich diese Perspektive bereits auf mehreren Feldern der Dogmatik bewährt und soll in der Zukunft vor allem für die Gotteslehre fruchtbar gemacht werden (vgl. das folgende Projekt).

  • Wirklichkeit Gottes, Gotteserkenntnis und Gottesrede

    Die Grundfrage nach Metaphern und Modellen in der Theologie entfaltet eine besondere Bedeutung in einem zentralen Feld der Dogmatik: bezüglich der Frage nach Reichweite und Angemessenheit religiöser und theologischer Rede und korrelativ dazu einem angemessenen Verständnis der Wirklichkeit Gottes. Zum intrinsischen Interesse im Sinn einer vertieften Selbstklärung bezüglich der Grundlagen meiner eigenen Theologie gesellen sich aktuelle theologische Diskussionslagen, die das Thema in den Vordergrund rücken lassen. So lässt sich einerseits (z.T. im Gefolge bestimmter philosophischer Ansätze im französischsprachigen Raum) eine Renaissance negativer Theologie beobachten. Dagegen werden andererseits Positionen lauter, die einen „univoken Kern“ theologischer Gottesrede einfordern, beispielsweise in der analytischen Theologie. Solche Fragen sind nicht zu klären ohne eine Reflexion auch darauf, welche Form von Wirklichkeit wir Gott zuschreiben und wie wir das Gott-Welt-Verhältnis bestimmen. Hier stehen sich in der derzeitigen Debatte u.a. monistische bzw. „panentheistische“ und freiheitstheoretische Ansätze gegenüber.

    Das Projekt verortet sich damit grundlegend in der Gottes- und Trinitätslehre, es lässt sich jedoch quer durch die dogmatischen Traktate buchstabieren, zentral beispielsweise im Blick auf Schöpfung, Inkarnation oder Sakramente.

  • Theologie der Gabe

    Thematik und Begrifflichkeit der Gabe gehören einerseits ganz selbstverständlich in das religiöse und theologische Vokabular. Andererseits scheint der theologische Umgang mit dem Begriff zum Teil wenig theoretisch reflektiert. Die Diskussion in jüngerer Zeit in den Sozialwissenschaften und der Philosophie um das Verständnis von Geben, Empfangen und Zurückgeben und die vielfältigen damit verknüpften Vorgänge (annehmen, danken und erwidern, bestechen und Almosen geben, Tribut zahlen und Opfer darbringen ...) hat jedoch gezeigt, dass die Gabe weder ein eindeutiges noch gar ein selbstevidentes Phänomen ist. Untersucht wird zum einen unter Rückgriff insbesondere auf Überlegungen von Marcel Hénaff und Paul Ricœur, was die Gabe als Modell für dogmatische Fragestellungen leisten kann. Als besonders fruchtbar erweisen sich dabei fünf Felder: die Rechtfertigungstheologie, die Theologie des Opfers, die Eucharistie, der Zusammenhang von Gottes- und Nächstenliebe und die Pneumatologie. Das Projekt zielt damit auf die Implementierung gabetheoretischer Überlegungen in die Dogmatik. Zum anderen bringt es auch theologische Traditionen und Expertise des Gabe-Denkens in den interdisziplinären Diskurs ein. Beides hatte sich auch das von der Deutschen Forschungsgemeinschaft geförderte wissenschaftliche Netzwerk „Gabe – Beiträge der Theologie zu einem interdisziplinären Forschungsfeld“ (2010–2013) zur Aufgabe gemacht.

    Das innerdogmatische Projekt ist weitgehend abgeschlossen. Prospektiv möchte ich hier v.a. die Verknüpfung mit anderen Diskursen und Disziplinen weiterverfolgen.

Dr. Stefan Walser

Dr. Stefan Walser ist Habilitand am Lehrstuhl. Er ist Juniorprofessor für Fundamentaltheologie und christliche Identitäten an der Universität Bonn.

  • Veränderungen des Glaubens in systematisch-theologischer Perspektive (Habilitationsprojekt)

    Jenseits der Vernünftigkeit und Vermittelbarkeit von Glaubensinhalten scheint der Glaubensakt selbst – das Glauben-Können – eine der ungeklärten Fragen zu sein, vor denen Theologie und Kirche gegenwärtig stehen. Die Veränderungen des Glaubens in moderner und nachmoderner Zeit betreffen ja nicht nur einzelne Glaubenssätze, sondern „den Glauben“ in seiner individuellen und gesellschaftlichen, existentiellen und intellektuellen Dimension. Ein überzeitlich formulierter Glaubensbegriff – etwa mit Hilfe der klassischen Terminologie der „Analysis fidei“ – wird der gegenwärtigen Situation von Glauben und Glaubenden kaum gerecht. Theologiegeschichtlich ließe sich zudem zeigen, dass Veränderungen der Glaubenstheologie meist mit Veränderungen der sozialen Bedingungen des Glaubens einhergehen.

    Auf philosophischer und (religions-)soziologischer Ebene liegen umfassende Untersuchungen vor, welche die These eines linear verlaufenden Säkularisierungsprozesses in Frage stellen und stattdessen von einer Individualisierung und Optionalisierung des Glaubens sprechen (Ch. Taylor, H. Joas). Pastoraltheologisch wurden diese Einsichten bereits wahrgenommen, ihre Rezeption für eine systematische Theologie des Glaubensaktes steht dagegen noch aus. Dazu bedarf es zunächst einer Methodenreflexion und interdisziplinären Vergewisserung über das Verhältnis von „Religiosität“ und einem theologischen Begriff von „Glaube“.

    Das Projekt legt dementsprechend den Fokus auf die Veränderungen des Glaubens in einem doppelten Sinn: Zum einen gilt es möglicherweise anstehende Veränderungen einer Theologie des Glaubensaktes in den Blick zu nehmen. Zum anderen sollen dabei die existentiell-biographischen Dynamiken des Glaubens selbst stärker berücksichtigt werden (etwa die Dynamiken von Konversion und Dekonversion), um theologisch möglichst nahe an den Phänomena heutiger Glaubensgestalten zu bleiben. Die Zielperspektive des Projektes ist folglich eine dynamischen Reformulierung und Aktualisierung der Lehre von der „fides qua“.

Benjamin Bartsch

  • "Affirmative Genealogie" als Modell theologischen Denkens? Überlegungen zur konstitutiven Bedeutung von Geschichte im Anschluss an Hans Joas (Promotionsprojekt)

    Spätestens seit der Aufklärung gilt es als Konsens, dass Geltungsansprüche nicht einfach durch die Umstände ihrer Entstehung zu begründen sind und dass umgekehrt geschichtliche Ereignisse per se keine neuen metaphysischen oder ethischen Geltungsansprüche konstituieren. Lessing hat diese Erkenntnis in klassischer Weise durch seine Unterscheidung „zufälliger Geschichtswahrheiten“ und „notwendiger Vernunftwahrheiten“ zum Andruck gebracht. Dies stellt besonders die christliche Theologie, die die geschichtliche Selbstoffenbarung Gottes in Jesus Christus als ihren Grund versteht, vor die Herausforderung, den Geltungsanspruch insbesondere ihrer geschichtlichen Aussagen zu klären und zu begründen. Deshalb überrascht nicht, dass die Auseinandersetzung mit der Frage der Begründung christologischer Aussagen und der Reichweite ihrer Geltung ein Brennpunkt der christologischen Debatte bis in die Gegenwart ist.

    Das Projekt greift vor diesem Hintergrund den von Hans Joas im Zusammenhang der Menschenrechtsdebatte eingebrachten Vorschlag einer "affirmativen Genealogie" für Begründung geschichtlich entstandener Geltungsansprüche auf und fragt anhand der Christologie, inwiefern hier dieses als Modell für theologisches Denken dienen kann. Um die Leistungsfähigkeit des von Joas vorgeschlagenen Modells würdigen zu können, wird vor dem Hintergrund einiger ausgewählter neuerer christologischer Entwürfe gezeigt, welche Strategien im Umgang mit dem Genesis-Geltungs-Problem in der Christologie bereits erprobt wurden und wie diese sich zu dem in dem Projekt gebrauchten Modell verhalten. Dabei wird sowohl nach der Tragweite auf diesem Weg zu erreichender Begründungen gefragt als aufgezeigt, welche Konsequenzen das Modell einer "affirmativen Genealogie" für die Durchführung der Christologie haben kann.

Dr. Matthias Flothow

  • Die Verwendung des Begriffs der Epoche. Nachgefragt bei drei Theologien (Wolfhart Pannenberg, Jürgen Werbick, Karlheinz Ruhstorfer) (Promotionsprojekt)

    Dass wir geschichtliche Wesen sind, ist unbestritten. Geschichte ist insbesondere für jede Theologie eine basale Orientierung. Einerseits ist Geschichte nun aber in der Geschichtsphilosophie kein klares Unternehmen mehr, auf das sich einfach Bezug nehmen ließe. Die Debatten in der Geschichtswissenschaft haben Geschichte in ein unwegsames Gelände geführt, in dem die traditionellen Orientierungsmarken verblasst sind. Man balanciert so zwischen Narrationen, denen die Reifizierung nicht gelingen will, einer Geschichtsforschung der Forschungslücken und Annahmen über ein Ende der Geschichte wie der Geschichtsphilosophie.

    Andererseits kann sich eine Theologie, die sich auf alte Texte und frühere Begebenheiten bezieht, nicht leicht von der Frage nach Geschichte dispensieren. Darüber hinaus haben Epocheneinteilungen ihre epistemologische Bedeutung darin, dass sie jeweils zeitgebundene Selbstverständlichkeiten vorgeben, in denen gedacht, gelebt, gehofft wird und die hinterrücks nicht nur die Welt, sondern auch das Werk auch eines Theologen/einer Theologin bestimmen. Insofern kommt – das ist eine Vorannahme – keine Theologie daran vorbei, sich die Fragen zu stellen, wie sie ihr zeitgebundenes Denken in Epochenabhängigkeit verortet und wie sie mit Geschichte und den Orientierungen in Geschichte – als das werden die Epochen angesehen - umgeht.

    Das Projekt legt Probleme der Periodisierung im Rahmen der Geschichtswissenschaften offen und geht mit diesem vage gewordenen, für die Orientierung jedoch unverzichtbaren Instrumentarium auf die genannten Theologien von Wolfhart Pannenberg, Jürgen Werbick und Karlheinz Ruhstorfer zu. Die Arbeitshypothese lautet, dass sich dabei drei unterschiedliche Bezugnahmen auf Epochen beobachten lassen: Eine Wiederbelebung des Epochenkonzepts, eine Depotenzierung des Epochenkonzepts sowie eine Neubestimmung des Rahmens für ein Epochenkonzept.

    (1) Eine Stärkung des Begriffs der Epoche durch rigide Epochenkartierung. Sie bringt eine hohe Orientierungsleistung mit sich, setzt sich aber in der Konzeption wie der Sache der Kritik von Historikern aus. Daran kann eine Wiederbelebung scheitern. (2) Eine Bestätigung der Zurücknahme von Geschichtsphilosophie und Epocheneinteilungen mit der Folge eines erweiterten theologisch-hermeneutischen Begründungsaufwands. Damit wäre Theologie (folgenlos?) von der Last der Geschichtsdiskussion befreit. (3) Eine Diskussion über die geltenden Annahmen von Geschichte und die Offenlegung ihrer anthropologischen wie wissenschaftstheoretischen Implikationen. Daraus würde die Aufgabe folgen, zu einem theologischen Verständnis von „Geschichte“ zu kommen. Die einzelnen Akte des Dramas „Geschichte“ ließen sich weiterhin als Epochen verstehen, ohne dass sie dabei eine konstitutive Rolle einnehmen dürfen.