Regierungsrätin Jacqueline Fehr. (Bild: Goran Basic / NZZ)

Regierungsrätin Jacqueline Fehr. (Bild: Goran Basic / NZZ)

Gastkommentar

Jacqueline Fehr setzt sich zur Wehr: Die Gemeinden sind mit den Glencore-Millionen sorgsam umgegangen

Haben die Zürcher Gemeinden nach dem Glencore-Börsengang Zusatzeinnahmen verschleudert? Die Zürcher Regierungsrätin Jacqueline Fehr stellt das vehement in Abrede.

Jacqueline Fehr
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Der Vorwurf der zwei Ökonomen der Uni Freiburg ist hart: Die Zürcher Gemeinden hätten die Steuerausschüttungen nach dem Glencore-Börsengang für ihre Klientelbewirtschaftung genutzt, statt sie für das Gemeinwohl einzusetzen. Auch diese Zeitung schrieb in ihrer Berichterstattung zur Studie, die Gemeinden hätten die einmaligen Zusatzeinnahmen 2013 verschleudert, statt sie nachhaltig zu investieren. Dieser Vorwurf ist falsch. Sie sind sorgsam mit den Glencore-Millionen umgegangen.

Hintergrund der Episode war die Zulassung des Zuger Rohstoffkonzerns an der Börse von 2011. Weil der Konzernchef Ivan Glasenberg in Rüschlikon wohnt und mit dem Börsengang zum Milliardär wurde, stiegen die Steuereinnahmen der Gemeinde massiv. Dank dem Finanzausgleich kam der unverhoffte Geldsegen allen zugute.

Im Interesse des Gemeinwohls

Die beiden Ökonomen Simon Berset und Mark Schelker haben untersucht, was die Gemeinden – ausgenommen die Städte Zürich und Winterthur – mit diesem Geld angefangen haben. Ihr Befund lautet, die Glencore-Millionen seien weder in zukunftsträchtige Projekte oder Vermögenswerte investiert noch zum Schuldenabbau verwendet worden. Stattdessen hätten die Gemeinden die Ausgaben für Gemeindeangestellte, die Verwaltung, externe Dienstleister sowie für Zuschüsse zugunsten von Vereinen und Interessengruppen erhöht. Weiter hätten sie die Steuereinnahmen gesenkt und gleichzeitig die Gebühreneinnahmen für Pflegeheime und Schulen erhöht. Insgesamt hätten die Gemeinden das Glencore-Geschenk gleich mehrfach ausgegeben, was letztlich zu höheren Schulden geführt habe.

Nun dürfen aber bei der Beurteilung der finanziellen Entwicklungen andere massgebliche Veränderungen nicht ausser acht gelassen werden: Der Kanton Zürich ist attraktiv. Als Folge davon ist die Bevölkerungszahl in den letzten zehn Jahren um rund 13 Prozent gestiegen. Die Gemeinden müssen deshalb viel Geld in ihre Infrastruktur investieren. Heute geben sie dafür 32 Prozent mehr aus als noch 2008. Diese Mittel flossen in erster Linie in Schulanlagen, Alters- und Pflegeheime sowie Gemeindestrassen.

Wurden diese Investitionen nun mit Schulden finanziert? Auf den ersten Blick mag es danach aussehen, weil die Schuldenkurve der Gemeinden in der jüngeren Vergangenheit leicht nach oben zeigte. Dies wird auch in der Berichterstattung zur Studie herausgestrichen. Es bleibt allerdings unerwähnt, dass gleichzeitig das Eigenkapital der Gemeinden viel stärker angestiegen ist. Die Gemeinden haben ihre Finanzlage also nicht verschlechtert. Dass sie angesichts der rekordtiefen Zinsen einen Teil der Infrastrukturkosten fremdfinanziert haben, ist wirtschaftlich sinnvoll und im Interesse des Gemeinwohls.

Ruch von Bananenrepubliken

Und: Ja, auch der Lohnaufwand ist in den Bereichen Bildung und Pflege gestiegen. Doch die Ursachen dafür liegen nicht im Rüschliker Geldsegen: Die alternde Bevölkerung ist für die Gemeinden Anlass, die Alters- und Pflegeheime auszubauen. Sie müssen einen steigenden Bedarf nach ambulanter und stationärer Pflege bewältigen. Ich begrüsse es, wenn die Gemeinden Personal anstellen, um die Ältesten unter uns angemessen zu betreuen.

Ähnlich verhält es sich mit den Schulen. Sie müssen heute Betreuungsangebote weit über die Unterrichtszeit hinaus sicherstellen. Mittagstische und Tagesstrukturen werden rege genutzt und erlauben es den Eltern, berufstätig zu sein. Ich begrüsse es, wenn die Gemeinden Leute anstellen, damit arbeitstätige Väter und Mütter ihre Kinder auch mittags und nach der Schule in guten Händen wissen.

Für die Betreuung werden in beiden Bereichen – der Pflege wie auch der Bildung – Gebühren erhoben. Erbringen die Gemeinden mehr Leistung, bringt dies auch höhere Gebühreneinnahmen mit sich.

All diese Gegebenheiten gehören zur Kulisse, vor der sich die finanzpolitischen Entwicklungen auf kommunaler Ebene nach dem Glencore-Börsengang abspielten. Die Budgets in diesen Jahren zeigen, dass die Gemeinden grundsätzlich nachhaltig und im Interesse ihrer Einwohner gewirtschaftet haben.

Es ist deshalb unfair, ihnen den Ruch von Bananenrepubliken anzuhängen und sie damit herabzuwürdigen. Diese Unterstellung trifft Gemeindebehörden, die täglich für gute öffentliche Leistungen sorgen und dabei dem steten gesellschaftlichen Wandel Rechnung tragen. Ausserdem darf man nicht vergessen: Was den Umgang mit dem Gemeindevermögen angeht, haben in unserer Demokratie die Stimmberechtigten das letzte Wort.

Jacqueline Fehr ist Zürcher Regierungsrätin und leitet die Direktion der Justiz und des Innern.

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