Nigg und die Ökumene (1985-2003)

Weil sich Walter Nigg als reformierter Theologe den Heiligen zuwandte, gilt er vielen Autoren als Ökumeniker. Die "Deutsche Biographische Enzyklopädie" (1998) würdigt Nigg als Vater einer neuen Hagiographie mit ökumenischem Horizont[1]. Auch Hans-Martin Barth hebt in seinem Artikel "Heilige/ Heiligenverehrung. Evangelisches Verständnis" für die 4RGG (2000) die ökumenische Dimension der Hagiographie hervor: "Die Erinnerung an die Zeugen des Glaubens bereichert die individuelle Spiritualität und gewinnt zunehmend an ökumenischer Bedeutung. "[2] In seiner Rede zum Gedenken an den 100. Geburtstag Walter Niggs würdigt Kirchratspräsident Ruedi Reich das Lebenswerk des reformierten Pfarrers und Wissenschaftlers als Wegbereitung einer ökumenischen Spiritualität. Sein Werk verdichte "Glaubenserfahrungen aus zwei Jahrtausenden" zu einem "Teppich verschiedenster Glaubens- und Lebenserfahrungen": "Walter Nigg ist auch als Wissenschaftler Ermutiger zum Glauben. Darin besteht seine bleibende ökumenische Bedeutung. "[3]

In der Unmittelbarkeit des Gottesverhältnisses der Heiligen glaubt Max Schoch Niggs Beitrag zur Ökumene sehen zu können: "Das Ökumenische erwächst bei ihm aus dem Religiösen; ja es ist damit identisch. "[4] Formen und Formulare eines gemeinsamen ökumenischen Bekenntnisses oder eines gemeinsamen Gottesdienstes hätten Nigg nicht interessiert, weil er jenseits aller technischen und organisatorischen Fragen in der Gemeinschaft der Heiligen die Ökumene als lebendige Glaubenserfahrung bereits verwirklicht sah. "Nie ist Nigg zu Studien des Ökumenischen Rates beigezogen, niemals zu Tagungen von seiten des Schweizerischen Evangelischen Kirchenbundes abgeordnet worden. So distanziert standen sich die kirchliche Institution und der Vermittler der Heiligkeit gegenüber. "[5]

Die Diskrepanzen zwischen Nigg und dem Schweizerischen Evangelischen Kirchenbund werden von Max Schoch zwar benannt, doch zu wenig ergründet. Ebenso umschreibt Max Schoch zwar zutreffend Niggs Blick über traditionelle konfessionelle Grenzen hinweg, zieht daraus aber keine Konsequenzen für eine Klärung seines Ökumene-Begriffs.

 


[1] Vgl. Deutsche Biographische Enzyklopädie. Hrsg. von Walter Killy und Rudolf Vierhaus. Band 7. Saur Verlag. München 1998. S. 416: "Bekannt wurde Nigg durch seine von ökumenischem Geist geprägten Darstellungen der Heiligengeschichte und der vielfältigen Formen des christlichen Lebens aller Zeiten."

[2] Hans-Martin Barth. Artikel „Heilige/ Heiligenverehrung. Evangelisches Verständnis". In: 4RGG. Band 3. Mohr Siebeck Verlag. Tübingen 2000. Spalten 1544-1545. Spalte 1545.

[3] Ruedi Reich. Heilige und Ketzer - Walter Nigg als Wegbereiter einer ökumenischen Spiritualität. Worte des Gedenkens zum 100. Geburtstag von Walter Nigg (1903-2003). Vortrag, gehalten in der Kirche Dällikon, Sonntag, 18. Mai 2003. Typoskript von 7 Seiten. S. 3.

[4] Max Schoch. Walter Nigg. S. 593.

[5] Ibid., S. 593.