Publikationsdatum 05.09.2019

Fortschritte in der Forschung zur medizinischen Behandlung von schädlichen Auswirkungen des Down-Syndroms


Ein Forschungsteam der Universität Freiburg hat Hinweise auf einen Mechanismus gefunden, der zur Beeinträchtigung des Stoffwechsels von Menschen mit Down-Syndrom beiträgt. Ihr Organismus scheint durch einen Überschuss an Schwefelwasserstoff vergiftet zu sein, der durch ein Gen auf Chromosom 21 verursacht wird. Dieses Ergebnis ermöglicht es, einige der wichtigsten Auswirkungen des Down-Syndroms zu behandeln.

Das Team hat lebende menschliche Zellen untersucht, um einen Mechanismus besser zu verstehen, der eine Funktionsstörung der Zellen beim Down-Syndrom verursacht. Die Forschenden zeigten, wie Zellen durch einen Überschuss des gasförmigen Botenstoffes Schwefelwasserstoff (H2S) vergiftet werden. «Wir haben menschliche Zellen mit und ohne Down-Syndrom unter dem Gesichtspunkt der H2S-Vergiftung untersucht», erklärt Teamleiter Prof. Csaba Szabo. «Wir haben gezeigt, dass die Down-Zellen einen hohen Gehalt an H2S sowie des Proteins haben, das auf Chromosom 21 codiert und an der Produktion von H2S beteiligt ist. Dies beeinträchtigt die Energieproduktion in den Zellen.» Besonders wichtig ist die Entdeckung, dass bei der Unterdrückung der Produktion von H2S die betroffenen Zellen ihre volle Kapazität zur Energieerzeugung wiedererlangten. «Wenn wir diese Erkenntnisse auf Neuronen übertragen, können wir hoffen, dass die Hemmung eines Teils der überschüssigen Produktion von H2S die neuronalen und kognitiven Funktionen beim Down-Syndrom verbessert.»

Durch Schwefelwasserstoff vergiftete Zellen
Die Idee hinter diesen neuen Forschungsergebnissen wurde erstmals 2003 vom französischen Forscher Pierre Kamoun vorgestellt. Prof. Kamoun, ein hoch angesehener Spezialist in der Down-Forschung, vermutete, dass Zellen durch einen Überschuss an Schwefelwasserstoff im ganzen Körper vergiftet wurden.

«Die Zellen von Menschen mit Down-Syndrom enthalten viel zu viel H2S, sagt Prof. Szabo. Man könnte sagen, sie schwimmen in einem giftigen Gas». Dies beeinträchtigt die Zellfunktion, indem es die Mitochondrien – winzige Organellen, welche die Energie in all unseren Zellen liefern – stark beschädigt.

Warum hat es so lange gedauert, die Hypothese von Prof. Kamoun zu überprüfen? Zu jener Zeit war die Rolle von Schwefelwasserstoff als gasförmiger Transmitter im Körper noch wenig bekannt. Prof. Szabo erklärt: «Aber das Gebiet der H2S-Biologie hat sich, auch dank unserer Teamarbeit, stark weiterentwickelt, so dass es inzwischen legitim ist anzunehmen, dass H2S eine regulierende Rolle in unseren Zellen spielt.» Es gab zudem auch technische Verbesserungen: Mittlerweile ist es möglich, die molekulare Funktionsweise von Zellen zu untersuchen, ohne sie zu zerstören, was sehr hilfreich war. Das Team konnte im Labor die Enzymexpression, die Produktion von Sulfid und dessen Auswirkung auf lebende menschliche Zellen beobachten.

Down-Syndrom-Behandlungen
Das Ergebnis eröffnet neue Wege zur Behandlung einiger der wichtigsten Auswirkungen des Down-Syndroms. Basierend auf diesen Ergebnissen, haben Forschende nun die Möglichkeit, klinische Studien zu entwerfen und durchzuführen, welche die Produktion von H2S reduzieren können. Sie kennen die Produktionswege von H2S, insbesondere das auf Chromosom 21 codierte Enzym, und wissen, wie sie seine Wirkung hemmen können. «Wir müssen aber sehr vorsichtig sein», betont Professor Szabo. «Viele Menschen haben bereits Entdeckungen gemacht, die für das Verständnis des Down-Syndroms hätten hilfreich sein können, was später zu Enttäuschungen führte, als diese zu keiner Behandlung führten».

Derzeit gibt es keine Behandlung des Down-Syndroms; die Betroffenen werden speziell gefördert. Dies bedeutet aber nicht, dass eine Behandlung unmöglich ist. Während eine «Heilung» dieses Zustands durch die Deaktivierung der dritten Kopie von Chromosom 21 in jeder einzelnen Zelle mit der gegenwärtigen Technologie noch nicht möglich ist, kann die Wirkung ebendieser überschüssigen Kopie abgeschwächt werden. Das könnte zu einer enormen Verbesserung der Lebensqualität von Menschen mit Down-Syndrom beitragen.

Das Down-Syndrom betrifft etwa jede tausendste Geburt und ist die am weitesten verbreitete genetische Erkrankung des Menschen, von der weltweit mehr als 5 Millionen Personen betroffen sind.

Die Ergebnisse werden in der neuesten Ausgabe der Proceedings of the National Academy of Sciences (PNAS, September 2019) veröffentlicht. Die Autoren sind Theodora Panagaki, Elisa Randi, Fiona Augsburger und Csaba Szabo.Titel: Overproduction of H2S, generated by CBS, inhibits mitochondrial Complex IV and suppresses oxidative phosphorylation in Down syndrome. Die Forschung wird vom Schweizerischen Nationalfonds und der Stiftung Lejeune (Paris) unterstützt.