Paläontologie und GeologiePublikationsdatum 12.06.2020

Spinosaurier: Raubtiere mit Köpfchen


Ein Urzeitriese mit einem niedrigen und langgestreckten Schädel? Das entspricht nicht so ganz unserem typischen Bild eines Raubdinosauriers. Eine erste Untersuchung der inneren Strukturen eines Spinosaurierschädels lässt allerdings darauf hindeuten, dass er ein durchaus raffinierter Spezialist war. Dies fand eine Forschungsgruppe unter Beteiligung der Universität Freiburg heraus.

Die Spinosaurier sind eine Gruppe von grossen bis gigantischen Raubdinosauriern, die insbesondere auf der südlichen Halbkugel weit verbreitet waren. Mit bis zu 18 m Länge liess der Spinosaurus selbst den berühmten Tyrannosaurus rex klein aussehen, der es «nur» auf 12 m schaffte. Im Gegensatz zum mächtigen, kräftig gebauten Schädel eines Tyranno- oder Allosaurus war dessen verlängerter Schädel eher schmal. Seit einiger Zeit wird vermutet, dass Spinosaurier sich hauptsächlich von Fischen und ähnlicher eher kleinerer Beute ernährten.

Bisher nur wenig bekannt
Einen wichtigen Einblick in die Lebensweise eines Tieres können die Sinnesorgane und die Hirnstruktur geben. Beim Tyrannosaurus rex ist seit längerem bekannt, dass diese Tiere einen hervorragenden Geruchsinn haben, was für ein grosses Raubtier mit Sicherheit ein Vorteil ist. Von Spinosauriern sind bisher jedoch nur wenige Schädelreste bekannt. Viele Aspekte der Schädelanatomie dieser Tiere sind daher noch unklar.

Innere Strukturen sichtbar machen
Eine erste Untersuchung des Hirnraumes und der damit assoziierten Sinnesorgane eines Spinosauriers haben nun Serjoscha Evers von der Universität Freiburg und Marco Schade von der Universität Greifswald zusammen mit Oliver Rauhut von der Bayerischen Staatssammlung für Paläontologie und Geologie in München durchgeführt. Dafür untersuchten sie den Schädel des mittelgrossen Spinosauriers Irritator aus der unteren Kreide, der vor ca. 115 Mio. Jahren in Brasilien gelebt hat. Um die inneren Strukturen des Schädels sichtbar zu machen, wie etwa den Hirnraum und das Innenohr, wurde der versteinerte Schädel am Deutschen Herzzentrum München und bei Zeiss Messtechnik in Essingen mit hochauflösenden Computertomographen durchleuchtet. Die so gewonnenen Daten erlaubten es, die Form des Gehirns und seiner umgebenden Gewebe sowie die Bogengänge des Innenohrs zu rekonstruieren. Diese spielen für die Balance und Bewegung eines Tieres eine wesentliche Rolle.

Schnell, präzise, tödlich
Die Ergebnisse zeigten, dass die Form des Gehirns bei Spinosauriern durchaus der anderer grosser Raubdinosaurier entsprach. Interessant waren jedoch die Befunde am Innenohr und einer assoziierten Gehirnregion, dem sogenannten Flocculus. Letzterer ist bei heutigen Tieren hauptsächlich für die Fixierung der Augen bei Bewegungen wichtig. Dieser war beim Irritator deutlich stärker ausgeprägt als bei anderen grossen Raubdinosauriern. Zusammen mit der Struktur des Innenohres deutet dies darauf hin, dass dieses Tier schnelle, sehr präzise Bewegungen mit dem Schädel durchführen konnte, ohne dabei eine potentielle Beute aus den Augen zu verlieren.

Gleichzeitig zeigt die Struktur des Innenohres, dass der Schädel normalerweise wohl mit relativ stark nach unten gerichteter Schnauze gehalten wurde, ähnlich wie bei Störchen. Dadurch wurde das Sichtfeld über der Schnauze frei, was dem Tier eine bessere Fixierung von möglichen Beutetieren erlaubte.

Diese Ausprägungen sind von grossem Vorteil für ein Tier, das sich darauf spezialisiert hat, kleinere Beutetiere mit schnellen Bewegungen des Kopfes zu packen. Sie unterstützen somit die Interpretation der Spinosaurier als Raubtiere, die eher auf die Ergreifung kleinerer Beutetiere wie bspw. Fische spezialisiert waren.

Weitere Informationen
Publikation im Journal Scientific Reports
Webseite von D.Phil. Serjoscha Evers