Dossier

Warum klebt Eis an der Zunge? Sarah, 9 Jahre

Fast alle Kinder probieren es aus: Sie lecken an einem Eiszapfen. Und dann kann es passieren, dass die Zunge am kompakten Block kleben bleibt. Warum das so ist, weiss Chemieprofessorin Katharina Fromm.

Es gibt Verlockungen, denen kaum ein Kind widerstehen kann. Eine davon ist diejenige, an einem Eiszapfen zu lecken. Aber Vorsicht: Das Vergnügen kann schnell zu einer Tortur werden – dann nämlich, wenn sich die Zunge nicht mehr vom Eis löst. Noch gefährlicher wird es, wenn kaltes Metall im Spiel ist – ohne Schmerzen geht das selten ab. Warum aber bleibt unsere Zunge am Eis oder am Metall kleben? «Wir haben immer etwas Feuchtigkeit auf der Zunge», erklärt Katharina Fromm. «Wenn dieses Wasser kalt wird, gefriert es spontan. Es bildet sich eine Eisschicht zwischen der Zunge und dem kalten Material.» Dieser Prozess kann blitzschnell gehen – auch dafür gibt es eine Erklärung: Ein Eiswürfel ist im Vergleich zur Zungenspitze relativ gross. Es prallen also sehr viel Kälte und wenig Wärme aufeinander, die Zungenwärme kann die Kälte des Eiswürfels nicht kompensieren. Da hilft nur eines: Geduld und Wärme. Ein Eiswürfel besteht nämlich aus vielen Einzelteilen, so genannten Molekülen, die in einer strengen Ordnung dicht nebeneinander angeordnet sind. «Es braucht viel Energie, um diese so genannte Gitterordnung aufzubrechen», sagt Fromm. 

 

Schlimmer als die Leckerei am Eiszapfen ist es, wenn jemand den Geschmack eines kalten Metallzauns mit der Zunge erkunden will. Wer das ausprobiert, kommt so schnell nicht mehr los. Das liegt an den besonders guten Leiteigenschaften von Metall. «Metall leitet die Wärme der Zunge ganz schnell ab, schneller, als die Zunge Wärme nachliefern kann. Das Wasser auf der Zunge gefriert blitzartig», sagt Fromm. Ohne Hilfsmittel könnte es deshalb schwierig werden, vom Metall wieder loszukommen. Am besten erwärmt man das Metall, zum Beispiel mit einem Fön oder etwas warmem Wasser. «Auf die Dauer hilft eventuell auch, den warmen Atem mit den Händen gezielt auf die festgefrorene Zungenspitze zu leiten, doch da braucht es schon Geduld», so Fromm.

 

© Jan von Holleben

Wer sich im Sommer eine Glace gönnen will, muss in der Regel aber keine Angst haben, daran festzukleben. Eine gewisse Gefahr besteht höchstens bei der Wasserglace – weil dort der Wassergehalt gross ist, eben wie bei einem Eiswürfel. Aber die weiteren Zutaten wie Zucker oder Fruchtsäfte sorgen dafür, dass das Eis nicht ganz so fest, die Ordnung also nicht so starr ist. Kaum ein Risiko festzukleben besteht hingegen bei Sahneeis. Als Faustregel kann also gelten: Je reiner das Eis, umso grösser die Gefahr. Das ist auch der Grund, warum im Winter auf den Strassen Salz gestreut wird: Salzwasser gefriert bei tieferen Temperaturen als reines Wasser, bleibt also länger flüssig beim Abkühlen. «Durch das Salz wird die Gitterordnung der Eisstruktur sozusagen durchbrochen», erklärt Fromm.

 

Unsere Expertin Katharina Fromm ist Professorin für Chemie an der Universität Freiburg. Nebst ihrer Lehr- und Forschungstätigkeit engagiert sie sich für Kinder, denen sie in unterhaltsamen Vorführungen die Chemie näherbringt.

katharina.fromm@unifr.ch