Publikationsdatum 15.02.2009

Supraleiter setzen sich gegen Magneten durch


Forscher der Universität Freiburg (CH) und des Paul Scherrer Instituts PSI haben eine neue Form der Koexistenz zwischen Supraleitung und Magnetismus entdeckt, deren Eigenschaften in Zukunft eine wichtige Rolle spielen könnten in der technischen Anwendung, beispielsweise für Quantencomputer. Die Forschungsresultate sind in der Online-Ausgabe des Wisschenschaftsmagazins Nature Materials veröffentlicht.

Ferromagnetismus und Supraleitung vertragen sich eigentlich nicht, in herkömmlichen Materialien treten sie deshalb auch nicht gemeinsam auf. Eine Koexistenz der beiden „Kontrahenten“ lässt sich aber erzwingen in dem man abwechselnd dünne Schichten von Ferromagneten und Supraleitern anordnet. Die „Kompromisszustände“, die sich aus dem Wettstreit zwischen der Supraleitung und dem Ferromagnetismus ergeben, weisen mitunter äusserst vorteilhafte Eigenschaften auf, z.B. für zukünftige Quantencomputer. Bislang funktionieren diese künstlichen Quantenmaterialien aber erst bei extrem tiefen Temperaturen. Zudem muss sich der viel schwächere Supraleiter in der Regel dem Zustand des Ferromagneten anpassen, das Spektrum der „Kompromisszustände“ ist also recht eingeschränkt.
Forscher der Arbeitsgruppe von Prof. Christian Bernhard im Physikdepartment und am „Fribourg Center for Nanometerials – FriMat“ der Universität Freiburg in Zusammenarbeit mit ihren Kollegen am Paul Scherrer Institut (PSI) haben nun untersucht wie sich die Verwendung von Hochtemperatur-Supraleitern auf des Verhalten solcher Schichtsysteme auswirkt. Dabei konnten sie beobachten, dass der Hochtemperatur-Supraleiter „den Ton angeben“ und den Zustand des Ferromagneten stark verändern kann. Über diese neue Variante im Wettstreit zwischen der Supraleitung und dem Ferromagnetismus berichten sie in der Online-Ausgabe des Wissenschafts-Journals Nature Materials.

Unerwartete Beeinflussung
Die Forscher haben abwechselnd 10 Nanometer dünne Schichten aus dem Hochtemperatur-Supraleiter Y0.6Pr0.4Ba2Cu3O7 und dem Ferromagneten La2/3Ca1/3MnO3 angeordnet. Dabei nutzten sie aus, dass sich diese Oxide, ähnlich wie die berühmten dänischen Bauklötze, sehr gut aufeinander stapeln und so zu Schichtstrukturen von sehr hoher Qualität kombinieren lassen.
Am Anfang des Experiments waren alle ferromagnetischen Schichten gleich magnetisiert. Kühlten die Forscher ihre Probe aber so stark ab, dass die Supraleiterschichten ihren elektrischen Widerstand verloren, änderte sich die Magnetisierung schlagartig: nun war jede zweite Schicht fast doppelt so stark magnetisiert wie zuvor, die anderen so gut wie gar nicht mehr.
Die Forscher erklären sich diesen überraschenden Effekt damit, dass es in dem magnetischen Material mehrere mögliche Zustände gibt. Welcher tatsächlich angenommen wird, hängt sehr empfindlich von den äusseren Bedingungen ab – etwa von dem Übergang zur Supraleitung in den Nachbarschichten.



Anwendung?
Dünnschichtsysteme aus magnetischen Materialien haben dank ihrer ungewöhnlichen Eigenschaften die moderne Elektronik revolutioniert und so könnte auch dieser neue Effekt interessante Anwendungen finden. Welchen konkreten Nutzen diese Systeme haben, wird erst die Zukunft zeigen. Die vorliegende Arbeit zeigt aber zumindest, dass Schichtstrukturen aus Oxiden ein erstaunlich umfangreiches „Repertoire“ an ungewöhnlichen Eigenschaften zu bieten haben.

An der Universität Freiburg lernen, lehren und forschen rund 10’000 Studierende und über 200 Professorinnen und Professoren aus 100 Ländern. An der Mathematisch-Naturwissenschaftlichen Fakultät besteht eine lange Tradition in der Forschung an Nanomaterialien, die in der Gründung des FriMat und des Adolphe Merkle Instituts gemündet hat.
FriMat das Zentrum für Nanomaterialien der Universität Freiburg wurde 2006 gegründet. Es verbindet erstklassige Grundlagenforschung auf dem Gebiet der kondensierten Materie mit innovativen Ansätzen zur Herstellung neuer hochwertiger und massgeschneiderter Materialien. FriMat-Forscherinnen und Forscher untersuchen aber auch mögliche Risiken im Zusammenhang mit Nanopartikeln und entwickeln neue Wege, diese in der Umwelt zu untersuchen. 


Das Paul Scherrer Institut entwickelt, baut und betreibt grosse und komplexe Forschungsanlagen und stellt sie der nationalen und internationalen Forschungsgemeinde zur Verfügung. Eigene Forschungsschwerpunkte sind Festkörperforschung und Materialwissenschaften, Elementarteilchenphysik, Biologie und Medizin, Energie- und Umweltforschung. Mit 1300 Mitarbeitenden und einem Jahresbudget von rund 260 Mio. CHF ist es das grösste Forschungsinstitut der Schweiz.

Kontakt: Prof. Dr. Christian Bernhard, Department of Physics and Fribourg Center for Nanomaterials – FriMat, Universität Freiburg, Chemin du Musée 3, CH-1700 Freiburg, 026 300 90 70, christian.bernhard@unifr.ch

Dr. Jochen Stahn, Laboratory for Neutron Scattering, ETH Zürich & Paul Scherrer Institut, 056 310 25 18, jochen.stahn@psi.ch

Fotos und Originalveröffentlichung: Giant superconductivity-induced modulation of the ferromagnetic magnetization in a cuprate–manganite superlattice:

> Originalveröffentlichung [pdf]
> Fotos [12 Mo, zip]
Legende: Justin Hoppler (Doktorand, Uni Freiburg und PSI) und Jochen Stahn (PSI) bereiten die Neutronenmessung an dem Dünnschichtsystem vor. 
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